Zum Inhalt springen

Impuls 2024-12-01

Die Erwartung wach-halten

Immer wieder verzögert sich die Ankunft! Da hilft auch die modernste Anzeigetafel am Bahnhof nichts, mit minuten-präziser Berechnung der voraussichtlichen Ankunftszeit. Wenn aus 5 Minuten erst 15, dann 30 und schließlich 55 Minuten werden, kippt die freudevolle Erwartung in Frust über die vertane, unnütze Zeit.

Wie muss es da erst den Menschen in der Ukraine, im Nahen Osten und in den vielen anderen Kriegs- und Krisengebieten gehen? Sie warten seit Monaten, Jahren, vielleicht sogar Jahrzehnten auf die Ankunft von Frieden und Gerechtigkeit! Und „dazwischen“ soviel unnützes Leid.

Immer wieder verzögert sich die Ankunft! Das war (und bleibt) auch das Lebensgefühl von uns Christen. Bereits 2-3 Generationen nach Auferstehung und Himmelfahrt Jesu Christi ermüdet die Erwartung, dass der HERR bald sichtbar wiederkommen und als Friedenskönig sein Reich der Gerechtigkeit vollendenden wird. Er hat es doch versprochen – wann kommt er endlich?

Damals stellen die Evangelisten die Worte und Taten Jesu in Form einer Lebensgeschichte zusammen; bei Lukas und Matthäus beginnt diese mit der Geburt eines ganz andersartigen Friedenskönigs. Daraus hat sich im Laufe der Jahrhunderte die Feier von „Weihnachten“ mit seinen vielen Bräuchen und Traditionen entwickelt, ergänzt um die vorbereitende Adventszeit.

All das soll uns Menschen beim Warten helfen: Habt Geduld, haltet die Hoffnung auf die Wiederkunft des Friedenskönigs wach! Mit seiner Geburt ist er schon einmal (sichtbar!) in eure Welt gekommen. Seit der Auferstehung ist er (unsichtbar!) gegenwärtig. Und er wird (erneut sichtbar!) wiederkommen. „Darum wachet, denn ihr wisst weder Tag noch Stunde.“ (Matthäus 25,13). Das Nicht-Wissen ist das größte Problem!

Vor kurzem habe ich einen Adventskalender in Form einer Parkscheibe entdeckt. 24 Stunden für 24 Tage. Das zeigt mir: Zeit ist für uns Christen relativ. Da taugt auch eine altmodische, analoge Schätzung. Die Stunde null könnte an die erste Ankunft Jesu in seiner Geburt erinnern. Die 24, die sogleich wieder zur 0 wird, wäre dann die voraussichtliche zweite Ankunft, welche die Zeit schließlich aufhebt. Und „dazwischen“, da leben wir! Die vielen Christen aus so vielen Jahrhunderten, die nach wie vor hoffen (sollen). Wir alle wissen nicht, ob wir erst bei der 7 oder schon bei der 23 sind. Es könnte dennoch schon morgen sein, dass Jesus wiederkommt, dass der globale Frieden endlich einkehrt. Darum lasst uns die Erwartung wach-halten: Sie erhellt alle unsere Dunkelheiten, jetzt schon!

Pfarrer Martin Schuler