Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen?

Liebe Leserinnen und Leser,
derzeit ist die Skulptur eines jungen Menschen in der Erlöserkirche zu sehen. Er blickt cool geradeaus, die Haare nach oben gestylt. Das grüne T-Shirt und die rote Jacke entsprechen den Farben der Altarskulptur, an der der Mann vorbeischaut.
Auffällig sind der weiße Kopfhörer auf den Ohren, die weiß eingefärbte Brille und das kreuzweise über den Mund geklebte Pflaster. „Nichts hören – nichts sehen – nichts sagen“ scheint die Devise dieses ganz mit sich selbst beschäftigten Menschen zu sein.
Die Skulptur von Günther Wiedemann gehört zur Ausstellung „Erlöse uns von Punkt, Punkt, Punkt“ des Künstlerrings Eichstätt, die noch bis September in der Erlöserkirche besichtigt werden kann. Die Ausstellung stellt die Frage, was Erlösung heute für uns bedeutet.
Das Profil des jungen Mannes plädiert für ein Sich-Lösen vom Wegschauen, Weghören und Schweigen. Die Skulptur macht darauf aufmerksam, dass nicht nur die Mächtigen für das Übel in der Welt verantwortlich sind, sondern dass wir selbst in unserer Umgebung einen Beitrag für menschliche Güte und Zivilcourage leisten können.
Bewusst wurde die Skulptur vor dem Altarkreuz aufgestellt. Die Christusfigur steht hinter dem Menschen und stärkt ihm den Rücken. Kopfhörer und Sonnenbrille erinnern auch daran, nicht zu überhören und zu übersehen, dass da einer ist, der uns seinen Beistand zusagt.
Die Skulptur passt gut zum Sonntag dieser Woche: Exaudi – Höre! Dieser Name stammt aus Psalm 27. Dort ruft ein Mensch zu Gott: Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe!
Zwischen Himmelfahrt und Pfingsten bitten wir Gott um den von Jesus verheißenen Beistand, um den Heiligen Geist. Aber gleichzeitig ist dieses Höre! auch an uns gerichtet. Wo können wir Gottes Gegenwart in unserer Welt wahrnehmen? Hören wir noch, wenn Gott redet?
Oder sind unsere Ohren verschlossen wie die des Menschen in der Skulptur, die ihn als homo incurvatus in se ipse, als eingekrümmt in sich selbst (M. Luther) darstellt? In unserer Welt gibt es so viele Stimmen und um Aufmerksamkeit heischende Nachrichten, dass es schwerfallen kann, dieses Stimmengewirr zu filtern.
So wünsche ich Ihnen an diesem Sonntag „Exaudi – Höre“ offene Ohren und Augen für Gottes Botschaften, aber auch für unsere Mitmenschen und die Kraft zu reden und zu handeln, wo es nötig ist. Ich wünsche Ihnen, dass das Hören Sie lebendig hält, weil es unser Denken hinterfragt, unser Herz weit macht und uns Freude schenkt.
Pfarrerin Christiane Rabus-Schuler