Über den eigenen Kirchturm hinaus
Liebe Leserinnen und Leser,
bestimmt haben Sie die Turmspitze auf dem Foto gleich erkannt. Das pyramidenförmige Spitzdach und die offenen Arkaden im obersten Geschoss mit den Glocken sind Kennzeichen für den Turm der Erlöserkirche.
Für unsere Kirche ist der neoromanische Turm insofern von großer Bedeutung, als er der Anlass für ihre Namensgebung war. Bei einer Reise nach Israel stellte der damalige Pfarrer Eyselein fest, dass der Turm der – damals noch namenlosen – evangelischen Kirche in Eichstätt demjenigen der evangelischen Erlöserkirche in der Altstadt von Jerusalem auf überraschende Weise ähnelt. So wurde die ökumenisch ausgerichtete Erlöserkirche in Jerusalem quasi zur Taufpatin unserer Kirche.
Bis heute weitet daher der Turm der Erlöserkirche in Eichstätt den Blick über sich selbst hinaus: Zum einen signalisiert er wie das Jerusalemer Vorbild das Interesse am ökumenischen Umfeld und Offenheit für Gespräche über die eigene Konfession hinaus.
Zum anderen erinnert er daran, dass auch in Jerusalem Menschen in einer Erlöserkirche zusammenkommen und beten. Insbesondere im Gebet um den Frieden sind wir mit ihnen verbunden: in der Jerusalemer Erlöserkirche findet wie in Eichstätt jeden Mittwochabend ein Friedensgebet statt, das sogar online besucht werden kann.
Aber noch in eine weitere Richtung lenkt dieser Kirchturm unseren Blick: nämlich nach oben. Kirchtürme sind wie Wegweiser oder Pfeile zum Himmel. Mitten in der Stadt, in den Problemen und Krisen unserer Zeit lassen sie uns aufblicken und innehalten.
In der Weite des Himmels ist doch einer, der uns nicht vergessen hat. In Gedanken und im Herzen können wir uns mit ihm verbinden und mit ihm reden – und sei es auch nur eine kurze Bitte, ein Dank oder ein Anvertrauen von Menschen, um die wir uns Sorgen machen.
Der Sonntag dieser Woche in der Passionszeit trägt den lateinischen Namen Oculi. Er ist benannt nach dem Psalmvers: Meine Augen sehen stets auf den Herrn (Psalm 25,15).
Der Kirchturm der Erlöserkirche erinnert mich daran, diese Blickrichtung nach oben in allem, was uns beschäftigt, nicht zu vergessen. Manchmal tut es gut, nicht alle Probleme selbst lösen zu müssen, sondern sie an einen Er-löser abgeben zu können.
Die Spitze des Erlöser-Kirchturms ziert ein filigranes Kreuz, dessen vier Balken in jeweils drei knospende Zweige münden. Dieses Kreuz steht für mich für das Leben, das uns Gott geschenkt hat, und das er immer wieder neu aufblühen lassen wird – dort, wo wir auf ihn sehen.
Pfarrerin Christiane Rabus-Schuler