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Impuls 2024-02-04

  • von
Hoffnung

Wer nicht klagt, der nicht gewinnt

Die Rolle des Propheten war schon immer undankbar. Bereits im Alten Testament finden wir einige, die eigentlich nicht wirklich Lust darauf hatten. Schließlich wollte auch keiner so wirklich hören, was sie sagten. Denn es war ungemütlich, meist harsche Kritik am Leben der Leute. Auch heute geht es um so einen Propheten. Es geht um Amos. Machen Sie sich auf etwas gefasst! Jetzt kommt es erstmal dicke.

In Amos 5,21-24 heißt es: „Ich hasse und verachte eure Feste und mag eure Versammlungen nicht riechen – es sei denn, ihr bringt mir rechte Brandopfer dar –, und an euren Speisopfern habe ich kein Gefallen, und euer fettes Schlachtopfer sehe ich nicht an. Tu weg von mir das Geplärr deiner Lieder; denn ich mag dein Harfenspiel nicht hören! Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.“

So wie Amos hier lospoltert, muss im damaligen Israel etwas ziemlich schiefgelaufen sein. Gott reicht es, er hat die Schnauze voll von den geheuchelten Gottesdiensten und den anderen Gottheiten, die die Israeliten anbeten. Doch anstatt zu jammern, klagt Gott. In seiner Klage zeigt sich, dass er die Hoffnung nicht aufgibt. Er hat vor langer Zeit versprochen, dass er diese Welt nie wieder aufgeben wird und in seinem Klagen erinnert er uns an das Eigentliche von Gottesdiensten. Wir können sie zusammen und darin Gottes Liebe zu uns Menschen feiern.

Die Klage ist ein mächtiges Mittel, das bis heute als Ventil oder auch als Sprachrohr für das dienen kann, was nicht in Ordnung ist. Ich richte mich heute mit meiner Klage an all die, die meinen, sie könnten Menschen in verschiedene Kategorien einteilen. Ich wende mich an die falschen Propheten, die sagen, dass es uns in Deutschland besser geht, wenn wir nur einen Teil von Menschen loswerden. Die so tun, als ob viele Probleme dadurch zu lösen seien, dass wir Menschen in starke und schwache aufteilen.

Wenn wir daran glauben, dass jeder Mensch ein Ebenbild Gottes und von ihm wunderbar gemacht ist (Ps 139,14), müssen wir uns wehren gegen diese verheerenden Menschenbilder und wir müssen die schützen, gegen die sich diese Meinungen richten. Wir haben eine Stimme, die wir für ein Menschenbild erheben können, das alle Menschen als würdig ansieht, als von Gott geliebte Geschöpfe. Denn auch in unserer Klage liegt Hoffnung – Hoffnung auf eine Gemeinschaft, in der die Menschen füreinander sind und das Gute im Nächsten sehen.

Pfarrerin Anna Grapentin