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Impuls 2023-11-26

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Orte für Abschied und Aufbruch

Bahnhöfe sind Drehscheiben des Lebens. Da treffen und trennen sich Wege von Menschen. Da kann man die unterschiedlichsten Gefühle erleben, ganz nah beieinander, oft sogar gleichzeitig: Ankommensfreude und Wiedersehensfreude einerseits, Aufbruchsfreude andererseits, aber auch Abschiedsschmerz. Der Abschied ist dabei wohl das Schwerste!

Für mich als Pfarrer sind auch Friedhöfe solche Drehscheiben des Lebens, Orte widersprüchlichster Gefühle, Orte des traurigen Abschieds und zugleich des hoffnungsvollen Aufbruchs in eine neue Welt. „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir“, mahnt und verheißt Hebräerbrief 13,14.

In dieser doppelten Perspektive begehen wir Evangelischen den „Ewigkeitssonntag“. Wir erkennen unsere eigene Vergänglichkeit an: Es ist kein dauerhaftes Bleiben auf Erden. Wir gedenken unserer Toten: Mit Schmerz und Wehmut über den Abschied, aber auch mit Dankbarkeit für die gemeinsame Zeit. Und wir hoffen und vertrauen darauf, dass wir als Christen – die noch Lebenden wie die bereits Verstobenen – alle miteinander auf der Bahn zum ewigen Leben sind.

Denn „ich lebe, und ihr sollt auch leben“, verheißt Jesus jedem, der an ihn glaubt. ER ist der auferstandene Gottessohn, der den Weg durch das Sterben hindurch kennt und „die Seinen“ sicher ins ewige Leben zum Vater führt, enthüllt die Bibel (vgl. Johannes 14,19 und 10,14-15.27-28).

Dadurch ändert sich der Charakter unserer Friedhöfe fundamental: Sie sind für uns Christen keine Endstation mehr, sondern eigentlich Durchgangsbahnhof, Umsteigebahnhof. Ja, das ist oft schwer zu bewältigen. Und oft genug geschieht der Aufbruch ins Sterben und in die Auferstehung ganz plötzlich und schnell, manchmal in dunkelster Nacht. Doch ich vertraue fest darauf, dass unsere letzte Reise in diesen Momenten einem Nachtzug gleicht, der dem nächsten Morgen entgegenfährt, mit einer wunderschönen gelb-orangen Morgenröte.

Ja, die Schwere des Abschieds bleibt, doch für uns Christen mischt sich auch Hoffnung hinein, auf ein Wiedersehen mit unseren Liebsten! Man mag unsere zukünftige Wohnstatt „himmlisches Jerusalem“ (vgl. Offenbarung 21,2) nennen oder „großen Bahnhof“. Mit Worten ist das schwer zu fassen. Wir dürfen aber sicher sein, dass unsere Verstorbenen gut aufgebrochen und gut angekommen sind, dass sie nun voller Ankommensfreude in Gottes Herrlichkeit leben. Diese Aussicht gebe uns Glaubenden Trost und Stärke in düsteren Tagen; Gott bahnt uns einen sicheren Weg ans helle Ziel!

Pfarrer Martin Schuler